Ein Artikel von Julia Kothes, Clemens Binder und Janik Kühn.
Die Frage nach der digitalen Transformation stellt sich nicht mehr. Wir befinden uns bereits mittendrin. Tagtäglich fordert sie von uns Entscheidungen, die zum Teil schwierig zu treffen sind und deren Auswirkungen oftmals nicht genau abzuschätzen sind. Wer diese Entscheidungen aufschiebt, vergibt die Chance, den Wandel aktiv zu gestalten und trifft mehr und mehr auf Schwierigkeiten, mit dem Tempo der Veränderungen mitzuhalten. Wer dagegen umgekehrt proaktiv Veränderungen herbeiführt, tut sich oft schwer, alle im Unternehmen mitzunehmen und aus Betroffenen Mitstreiter:innen zu machen.
Gegenspieler:in oder Mitstreiter:in?
In einem Unternehmen wurde vor vier Monaten eine neue Kollaborationsplattform eingeführt. Auch Lydia ist Teil dieses Unternehmens und von der Einführung der Plattform betroffen. Sie steht der Einführung kritisch gegenüber und äußert sich dazu auch lautstark. Nach Lydias Meinung überwiegen die Nachteile: Sie sieht die Gefahr, dass die Zusammenarbeit im Unternehmen dadurch ineffizienter wird. Lydias Kritik kommt zu einem schlechten Timing, da die neue Plattform bereits gekauft und implementiert wurde. Der Fokus liegt gerade darauf, alle Mitarbeitende zu ermutigen, die Plattform effektiv zu nutzen. Welche Möglichkeiten bieten sich, mit Lydias Kritik konstruktiv umzugehen?
Warum ist das Thema wichtig?
Es ist nicht mehr die Frage, ob die digitale Transformation kommt, sondern wie ein Unternehmen die digitale Transformation angehen will. Egal wie gut cloudbasierte Dienste und Business-Plattformen eines Unternehmens sind, steht wie bei jedem Transformationsprozess auch bei der digitalen Transformation der Mensch im Fokus. Damit Mitarbeitende die organisatorische Transformation mitgestalten, ist es entscheidend, ihre unterschiedlichen Perspektiven konstruktiv einzubringen. In der Wirklichkeit bleiben jedoch die Potenziale vieler Mitarbeitenden ungenutzt – digitale Vorreiter:innen werden in Grenzen verwiesen und ausgebremst. Gleichzeitig werden digitale Novizen nicht abgeholt und fühlen sich abgehängt, weshalb sie die Veränderungen bekämpfen und verlangsamen. Um den digitalen Wandel erfolgreich zu führen, müssen möglichst viele mitgenommen werden. Folgendes Zitat klingt banal, wird aber noch zu selten und zu inkonsequent umgesetzt:
Wer seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von der analogen in die digitale Welt mitnehmen möchte, muss sich zunächst in sie hineinversetzen. – Miriam Meckel, Herausgeberin der WirtschaftsWoche
Anliegen von Lydia
Lydias Chefin Claire hat über Lydias Bedenken nachgedacht und erkannt, dass Lydia nicht ohne Grund eine andere Perspektive einnimmt als sie selbst. Zwar sind beide mit digitalen Produkten aufgewachsen und tun sich mit technischer Veränderung grundsätzlich leicht. Während Claire die Plattform seit der Einführung leidenschaftlich nutzt, scheint Lydia ernsthafte Bedenken zu haben, die sie davon abhalten, der Plattform eine Chance zu geben. Statt Lydias Bedenken zu ignorieren, ermutigt die Chefin Lydia dazu, ihrem Anliegen eine Stimme zu geben und es systematisch festzuhalten. Lydia schätzt die Bemühungen ihrer Chefin und fühlt sich ernst genommen.
Wie gehen wir das Thema an?
Unterschiedliche Positionen kommen von unterschiedlichen Sichtweisen. Dahinter stehen unterschiedliche Bedürfnisse und Interessen. Sobald man diese versteht, kann man die Handlungen des Gegenübers interpretieren und aus den unterschiedlichen Perspektiven einen gemeinsamen Weg bestimmen. Deswegen haben wir nach einer Lösung gesucht, Bedürfnisse und Potenziale einzelner Personen konkreter und handhabbarer machen: die Digital Transformation Personas.
Personas are archetypes built to identify our real users profile, needs, wants and expectations in order to design best possible experience for them. – Silvana Churruca, User Experience Designer
Personas sind fiktive Charaktere, die komplexe Verhaltensweisen, Bedürfnisse und Potenziale so zusammenfassen, dass sie ein realistisches Bild ergeben. Eine reale Person entspricht einer ausformulierten Persona selten zu 100%. Der Mehrwert liegt stattdessen darin, dass die unübersichtliche Menge an Eigenschaften greifbarer wird. Eine reale Person kann am Ende aus den Charakterzügen mehrerer Personas bestehen.
Was ist unser Ergebnis?
Wir haben die Digital Transformation Personas anhand von zwei Dimensionen entwickelt: Vertrauen in die Digitalisierung und digitale Fähigkeiten. Die Digital Transformation Personas beschreiben sechs verschiedene Gruppen von Mitarbeitenden, die vor der Herausforderung der digitalen Transformation stehen. Jede der sechs prototypischen Digital Transformation Personas umfasst ein Cluster von Personen, die ähnliche Verhaltensmuster aufweisen. Die jeweils als Persona zusammengefassten Mitarbeitenden ähneln sich in ihrer Entscheidungsfindung, dem Einsatz von Technologien, den Kommunikationswegen, ihrer Motivation und der Einstellung gegenüber Veränderung. Diese Typen sind weitgehend unabhängig von Alter, Geschlecht, Bildung und anderen typischen demografischen Faktoren. Keine dieser Personas ist besser oder schlechter als eine andere. Stattdessen spiegeln die Personas wider, dass Mitarbeitende unterschiedliche Bedürfnisse und Erwartungen haben. Darum benötigen Führungskräfte im Zuge der Digitalisierung unterschiedliche Maßnahmen, um jede:n bei seiner oder ihrer Entwicklung zu begleiten.
Beitrag von Lydia
Mit Claires Unterstützung lernt Lydia, ihre Meinung konstruktiver zu formulieren. In einem Workshop für Mitarbeitende bekommt Lydia konkrete Handlungsideen und Impulse. Dort erfährt sie, dass es einen Unterschied zwischen persönlichen und systematischen Zweifeln gibt. Sie lernt, wie man mit beiden umgeht: Ihre persönlichen Zweifel sind ein Zeichen dafür, dass sie dabei ist, ein tieferes Verständnis zu entwickeln. Systematische Zweifel sind Zweifel, die alle Teammitglieder betreffen und in einer frühen Phase geteilt werden sollten. In ihrem Unternehmen setzt sie das direkt um: Gemeinsam mit anderen, entwickelt sie Nutzungsrichtlinien für die Plattform und hilft mit, den Umgang mit der Plattform zu verbessern.
Beitrag der Personas
Die Verwendung von Personas hilft, aus der eigenen Perspektive herauszutreten. Vor allem Führungskräfte und HR können anhand der Personas die Bedürfnisse und Erwartungen ihrer Mitarbeitenden besser verstehen. Durch das bessere Verständnis können personabezogene Lernmaßnahmen entwickelt sowie eine kulturelle Organisationsentwicklung erreicht werden. Wenn die einzelnen Personas entsprechend ihrer Bedürfnisse und Erwartungen gefördert und unterstützt werden, kann dadurch jede:r Mitarbeitende einen Beitrag für die digitale Transformation leisten und das Unternehmen im Wandel unterstützen.
Wie setzen wir das um?
Wir haben fünf Formate entwickelt, die helfen, Mitarbeitende zu verstehen und konkrete Ansätze für Lernmaßnahmen bereitzustellen. Neben den oben erwähnten Workshops für Mitarbeitende bieten wir ebenso Learning Journeys für Führungskräfte an. In diesen Learning Journeys leiten sie aus einer Selbst- und Fremdeinschätzung konkrete Schritte für ihr Führungsverhalten ab. Ein weiteres Format ist die Fokusgruppe. Sie dient dazu, mit qualitativem Assessment herauszufinden, was die Mitarbeitenden brauchen, um den digitalen Wandel aktiv mitzugestalten. Zudem haben wir einen quantitativen Survey entwickelt, mit dem Mitarbeitende und Führungskräfte über die eigene Digitalisierungsstrategie abstimmen. Für die Einschätzung der eigenen Person und des eigenen Teams, stehen verschiedene Tools zur Verfügung: ein individuelles Assessment und ein Team-Assessment. Diese können jeweils in verschiedenen Varianten genutzt werden, sodass sie sich für eine Vielzahl von Anwendungsfällen eignen.
Am Beispiel von Lydia haben wir uns vor Augen geführt, wie wichtig es ist, die unterschiedlichen Bedürfnisse und Erwartungen von Personen in der digitalen Transformation zu beachten. Natürlich gibt es neben den Claires und Lydias noch die Pauls, Andreas, Amans und Sams. Wir laden Sie dazu ein, mit uns die Reise der Personas (weiter-)zuführen und freuen uns auf den gemeinsamen Austausch mit Ihnen. Mehr erfahren Sie unter: www.digital-transformation-personas.de
Wie Sie direkt zu Anfang erwähnen, befinden wir uns mitten in der Digital Transformation. Ich denke wie Sie, dass das Personal gekonnt und empathisch an die Veränderungen heranzuführen sind. Es muss klar kommuniziert werden, was die Veränderungen bedeuten und das diese eben für das Unternehmen im besten Falle zur Steigerung der Effizienz führen. Dies würde für Transparenz und Verständnis seitens der Arbeitnehmer sorgen. Vielen Dank für Ihren Beitrag.